14.
Ein Höllenlärm weckte Julia am nächsten Morgen. Sie stieg vom Bett und blickte aus dem Fenster. Draußen fuhr ihr Großvater Boyd auf einem Fourwheeler den Feldweg hinter dem Trailer entlang.
Schnell stieg sie in ihre Sachen und wusch sich, in der Hoffnung, Simon vielleicht noch im Ranchhaus anzutreffen. Aber als sie in die Küche kam, fand sie nur ihre Großmutter vor, die Schmutzwäsche sortierte.
Julia löffelte ihre Cornflakes und wollte sich anschließend dem Frühstücksabwasch zuwenden. Doch aus dem Hahn über der Spüle kam kein Tropfen.
»Es läuft kein Wasser, Granny.«
»Shit«, fluchte Ada. »Dann ist der Wassertank auf dem Dach leer.«
»Und was nun?«
»Wir müssen warten, bis die Sonne die Batterien aufgeladen hat, dann kann Simon den Generator anstellen und die Pumpe laufen lassen.«
Während die alte Frau das sagte, holte sie eine große Flasche Bleichmittel unter der Spüle hervor und kippte reichlich davon über das von Essensresten verkrustete Geschirr. Sofort roch es widerlich nach Chlor in der ganzen Küche und Julia sah ihre Großmutter entgeistert an.
»So lässt es sich später leichter abwaschen«, behauptete Ada achselzuckend.
So viel zu sauberem Grundwasser und Granny als Kämpferin für eine heile Umwelt, dachte Julia im Stillen.
»Wie sieht’s aus, ich hätte einen großen Berg Wäsche.« Ada stemmte die Fäuste in die Hüften. »Kannst du das für mich erledigen?«
»Klar«, sagte Julia, ohne zu wissen, was eigentlich von ihr erwartet wurde. Sie wusste nur, dass es in Eldora Valley einen Waschsalon gab.
Ada begann, Wäsche in blaue Müllsäcke zu sortieren. Julia half und dabei fiel ihr auf, dass jedes zweite von Adas T-Shirts und die meisten ihrer Sweatshirts in der Höhe des Bauchnabels diese merkwürdigen weißen Streifen hatten. Nun war ihr auch klar, warum. Die Streifen kamen vom Bleichmittel. Die Kleidungsstücke ihrer Großmutter wurden sozusagen gebatikt, wenn sie am Abwaschbecken stand.
Die alte Frau drückte Julia eine riesige Flasche Waschmittel in die Hand, einen 20-Dollar-Schein und einen Beutel mit Vierteldollarstücken.
»Du kannst den Kombi nehmen, der Schlüssel steckt. Das Benzin reicht bis Eldora Valley. Bevor du zurückkommst, musst du allerdings bei Sam tanken.«
Verdutzt blickte Julia ihre Großmutter an. »Aber ich habe noch gar keinen Führerschein.«
»Na, dann lass dich nicht von der Polizei erwischen.«
Ehe Julia etwas erwidern konnte, verschwand Ada mit zwei Wäschesäcken nach draußen. Julia schleppte die übrigen Säcke aus dem Haus und lud sie in den Kofferraum des Kombi. Als das erledigt war, hielt sie Ausschau nach ihrer Großmutter, konnte sie aber nirgendwo entdecken.
Zögerlich öffnete Julia die Tür des Kombi, setzte sich auf den Fahrersitz und legte die Hände ans Lenkrad. Gangschaltung, dachte sie erschrocken. Ihr Vater hatte sie schon zwei, drei Mal fahren lassen und da hatte sie sich gar nicht so dumm angestellt. Aber dieser Ford hier, der hatte mindestens schon hundert Jahre auf dem Buckel und würde es ihr mit Sicherheit nicht leicht machen.
Julia drehte den Zündschlüssel um, trat auf die Kupplung und drückte das Gaspedal durch. Es knirschte, schliff und heulte, dann würgte sie den Motor ab. Zweiter Versuch, gleiches Ergebnis. Noch einmal – ohne Erfolg. Sie bekam den Wagen nicht zum Laufen, geschweige denn von der Stelle.
Plötzlich klopfte jemand an die Scheibe und Julia zuckte erschrocken zusammen. Es war Simon. Sie wollte die Scheibe herunterkurbeln und hatte plötzlich den Griff in der Hand. Na, das begann ja vielversprechend. Sie würde ihrer Großmutter das Malheur beichten müssen und hoffte, Ada würde nicht zu sauer darüber sein.
Simon öffnete die Tür. »Wo soll’s d-enn hingehen?«
»Eldora Valley. Ich soll mich um die Wäsche kümmern.«
Er nickte. »Du m-m-musst die Kupplung langsam kommen lassen und genauso langsam aufs Gas treten. Probier es noch mal.«
Julia holte tief Luft, drehte den Zündschlüssel um und versuchte, die Kupplung langsam kommen zu lassen. Dabei würgte sie den Motor zum fünften Mal ab.
»Bei uns in Deutschland kann man erst mit achtzehn seinen Führerschein machen«, verteidigte sie sich mit kläglicher Stimme.
»Und wie alt bist du?«
»Fünfzehn.«
Simon lächelte. »Na, so lange k-k-kann deine Granny nicht auf ihre Wäsche warten.«
Die Erleichterung, dass er das Fahren übernahm, stand Julia ins Gesicht geschrieben. Sie hatten beide noch ihre eigene Schmutzwäsche geholt und waren nun auf dem Weg nach Eldora Valley. Pepper hatte zu Hause bleiben müssen, denn Ada mochte es nicht, wenn Simons Hund in ihrem Kombi hockte.
Nachdem sie die Maschinen im Waschsalon gefüllt und mit Vierteldollarmünzen gefüttert hatten, setzte Julia sich auf den einzigen Plastikstuhl, griff sich eines der ausliegenden Magazine und begann darin zu blättern. Simon hockte auf dem Wäschetisch und ließ die Beine baumeln. Er kramte im Geldbeutel mit den Vierteldollarstücken und betrachtet manche eingehender. Auf die Vorderseite der Münzen war das Porträt von George Washington geprägt, dem ersten Präsidenten der USA. Auf der Rückseite der Adler. Doch die neueren Münzen hatten statt des Adlers verschiedene Prägungen, die die Eigenarten der jeweiligen Bundesstaaten darstellten.
Simon fand einen Nevada-Quarter. Im Hintergrund ging die Sonne über schneebedeckten Gipfeln auf, im Vordergrund liefen drei Wildpferde, gerahmt von Beifußstängeln.
Er ließ die Münze zurück in den Beutel fallen und fischte ein messingfarbenes Dollarstück hervor, auf dem Sacajawea, das berühmte Shoshoni-Mädchen mit ihrem Kind abgebildet war. Simon verblüffte die Ähnlichkeit, die Sacajawea mit Julia hatte.
»Ich wusste doch, dass ich dich irgendwoher k-k-kenne.« Er reichte ihr den blinkenden Dollar.
Julia zuckte zusammen, als sie die Münze sah. Sie wurde rot und wollte Simon das Geldstück zurückgeben.
»Behalt sie«, sagte er. »Vielleicht bringt sie dir Glück.«
Sie steckte die Münze ein.
»Ihr N-ame bedeutet Vogelmädchen. Sie war so alt wie du, als sie ihr erstes Kind bekam.«
Julia blätterte weiter in ihrem Heft herum. Es war ein Magazin für Jäger. Waffen oder tote Tiere auf fast jeder Seite. Sie seufzte, schlug das Heft wieder zu und warf einen nervösen Blick auf die rumpelnden Waschmaschinen.
»Vogelmädchen, das p-p-passt auch gut zu dir.« Oh Gott, was redete er da eigentlich? Er benahm sich wie ein Narr und Julia versuchte tapfer so zu tun, als würde sie es nicht merken.
»Ich hab nicht vor, mit sechzehn ein Kind zu kriegen wie Ainneen«, sagte sie schließlich. »Ist mir unbegreiflich, wie sie so ihr Leben wegwerfen kann.« Julia hatte Tränen in den Augen und er wusste nicht, warum.
»Wirft man sein Leben weg, wenn man K-inder hat?« Simon sah sie fragend an. Er hatte nicht vorwurfsvoll klingen wollen, er versuchte nur herauszufinden, was in Julias Kopf vor sich ging. Vor langer Zeit hatte er beschlossen, niemals Kinder zu haben, damit er nicht Gefahr lief, ihnen jemals wehzutun, wie seine Mutter es getan hatte.
»Nein, natürlich nicht«, antwortete sie bissig. »Du weißt genau, wie ich das meine. Ich verstehe ja, dass es in einem Nest wie Eldora Valley außer Sex nicht viel Spaß gibt. Aber deswegen muss man doch nicht gleich Kinder in die Welt setzen. Als ob sie noch nie etwas von Kondomen oder der Pille gehört hätten. Hast du kein Mitleid mit Ainneens Kindern? Wenn man so aufwächst wie Dylan und Carli, wie soll man dann später Liebe geben können?«
Simon wandte den Kopf ab und sah aus dem Fenster. Er musste an seine Mutter denken und dass sie ähnlich überfordert gewesen war wie Ainneen. Er war so aufgewachsen wie Carli und Dylan. Konnte er Liebe geben? Simon hatte seiner Mutter bis heute nicht verziehen, was sie ihm angetan hatte. Würde er trotzdem werden wie sie?
Die Maschinen hörten kurz nacheinander auf zu rumpeln und plötzlich war es sehr still. Julia hatte ihm eine Frage gestellt und nun wurde Simon bewusst, dass sie auf eine Antwort wartete. »Ich weiß n-icht«, sagte er. »Sieht so aus, als wäre es ein Kreislauf.«
Er sprang vom Tisch und begann die Wäsche in den Trockner zu stecken.
»Draußen sind 30° C«, schimpfte Julia prompt. »Es wäre billiger und umweltfreundlicher, die Wäsche auf die Leine zu hängen.«
»Das ist nicht so einfach«, sagte Simon, ohne seine Arbeit zu unterbrechen.
»Nicht so einfach? Was ist denn schwierig daran?«
Er erklärte Julia, dass Ada keine Wäscheleine besaß und keine Klammern. Dass sie manchmal ihre Wäsche zum Trocknen über den Zaun hängte. Dass Loui-Loui oder Pepper sich einen Spaß daraus machten, die Sachen vom Zaun zu holen und ihre Beute durch den Dreck zu zerren. Oder der Wind trieb Unterhosen und T-Shirts über
die Ranch, bis sie als bunte Flaggen irgendwo hängen blieben.
Julia zog ein Gesicht.
»Was hast d-u denn gedacht?«, fragte er. »Dass deine Großeltern Ökobauern sind und die p-p-perfekten Hüter der Erde? Hat dein Vater dir das erzählt?«
Sie schüttelte beleidigt den Kopf. »Hat er nicht, aber ich habe auch nicht gefragt. Ich dachte ja nur, im Versammlungszelt, vor all den anderen, da hat meine Großmutter von Verantwortung geredet und die Menschen waren begeistert von ihr. Sie vertrauen ihr. Aber die Wahrheit ist, dass sie giftiges Bleichmittel benutzt, um abzuspülen. Und ihre Wäsche steckt sie in den Trockner, obwohl Wind und Sonne das viel schneller erledigen könnten.«
Simon musste beinahe lächeln über Julias aufgebrachtes Gesicht. »Hast du gedacht, sie ist eine Heilige?«
»Nein. Aber ich war der Meinung, sie glaubt an das, was sie sagt.«
»Das tut sie. Sie kämpft und glaubt und lebt. Nur manchmal passt eines mit dem anderen nicht zusammen.«
»Warum verteidigst du sie?«
»Sie ist mein Boss und sie ist alt. V-ielleicht hat sie nicht immer alles richtig gemacht in ihrem Leben. Aber was sie auch getan hat, sie tat es in dem Glauben, dass es das Richtige ist. Deine Granny k-kkann fließend Shoshoni sprechen, wusstest du das?«
Missmutig schüttelte Julia den Kopf.
»Im F-rühjahr geht sie in die Berge, um Heilpflanzen zu sammeln wie unsere Vorfahren. Und im Herbst, zur Zapfenernte, klettert sie auf die Nusskiefern, um Pinienzapfen herunterzuschlagen. Deine Großmutter reitet Tobacco, den gefleckten Appaloosa-Hengst.«
Julia sah ihn ungläubig an. »Davon hatte ich keine Ahnung«, sagte sie schließlich.
»Na ja,«, bemerkte Simon. »Du kennst sie ja auch erst seit ein paar Tagen.«
Nachdem sie die trockene Wäsche zusammengelegt und im Kofferraum verstaut hatten, tankte Simon bei Sam für 20 Dollar. Er kaufte ein Mountain Dew für sich und ein Wasser für Julia. Als sie Eldora Valley verlassen hatten und wieder auf der Schotterpiste zur Ranch waren, trat Simon auf die Bremse und hielt an.
»Willst du es lernen?«, fragte er. »Was?« »Autofahren.« Sie sah ihn mit großen Augen an. »Keine Angst, es k-k-kann nichts passieren. Ich sitze ja neben
dir.«
Sie wechselten die Plätze und Simon gab Julia Anweisungen. Erster Gang, die Kupplung langsam kommen lassen, leicht Gas geben. Der Ford machte einen Satz nach vorn und der Motor schwieg.
»Ich kann es nicht.« »N-ochmal, okay?« Die Gänge knirschten. »Die Kupplung richtig durchtreten. Und mach langsam, wir haben
Zeit.«
Julia umkrampfte den Schaltknüppel und drückte mit aller Kraft. Da legte Simon seine Hand auf ihre, drückte leicht und schob den ersten Gang rein. Der Kombi begann zu rollen. Kupplung, wieder seine Hand, zweiter Gang. Den dritten schaffte sie alleine.
Es war ein tolles Gefühl, Herrin über diese störrische alte Blechkiste zu sein. Nach einer Weile hatte Julia sogar raus, wie man bremst, ohne nach vorn geschleudert zu werden. Es machte ihr Spaß zu fahren und Simon saß lächelnd neben ihr.
Als vor ihnen am Straßenrand ein Fahrzeug auftauchte, bat er sie, langsamer zu fahren. Es war ein Lastwagen, der irgendwelche Metallgestänge und Zementsäcke geladen hatte. Zwei Männer saßen in der Fahrerkabine und studierten eine Karte.
»Die sind v-on der Minengesellschaft«, sagte Simon erregt, als sie vorbei waren. »Wahrscheinlich wollen sie hier irgendwo einen
Bohrturm errichten.«
»Hier? So nah bei der Ranch?«
»Ja. Überall sind Goldadern. Wusstest du nicht, dass deine Großeltern auf einer Goldgrube sitzen?« Simon erzählte ihr, dass die Minengesellschaft Ada und Boyd mehrere Millionen Dollar für die Ranch geboten hatte. Die Grundstückspreise waren in den vergangenen zwanzig Jahren rasant gestiegen. Die Nachbarranch war vor zwei Jahren für vierzig Millionen Dollar an die Minengesellschaft gegangen.
Julia schwirrte der Kopf bei dem Gedanken an so viel Geld – das Hochgefühl war dahin.
»Du denkst, dass sie v-erkaufen sollten, nicht wahr?«
»Ich weiß nicht, was ich denken soll. Das passt irgendwie alles nicht zusammen.«
»Dass sie arm sind und in ihren Schulden ersticken, obwohl sie reich sein könnten?«
Julia dachte über eine Antwort nach, als ihr plötzlich der Geruch von verbranntem Gummi in die Nase stieg.
Noch ehe sie etwas sagen konnte, riss Simon auch schon seine Knie zum Kinn und schrie: »Halt an!«
Vor Schreck trat sie aufs Gas statt auf die Bremse, der Wagen schoss nach vorn. Simon zog die Handbremse und der Ford kam quer zur Fahrtrichtung in einer Staubwolke zum Stehen. Mit einem Satz war er draußen, während Julia wie gelähmt auf die Flammen starrte, die an jener Stelle emporschossen, an der eben noch Simons Füße gewesen waren.
Er sprintete um das Auto herum, riss die Fahrertür auf und zerrte Julia am Arm heraus. Beim Öffnen der Motorhaube verbrannte er sich die Finger. »Fuck!« Heißer Qualm kam ihm entgegen und er entschied, zuerst die Säcke mit der Wäsche aus dem Kofferraum zu holen.
Als er den letzten Wäschesack in Sicherheit brachte, schlugen bereits Flammen aus dem Motorraum und er wusste, dass der Ford nicht mehr zu retten war. Simon schnappte Julia an der Hand und zog sie vom brennenden Fahrzeug weg.
»Vielleicht g-g-geht der Tank in die Luft«, schrie er.
Sie rannten, bis sie weit genug weg waren und sahen fassungslos zu, wie Adas Kombi in Flammen aufging.
Ohnmächtig starrte Simon auf die dicke schwarze Rauchwolke, die vom brennenden Wagen aufstieg und langsam in Richtung Ranch zog. Eben war noch alles in bester Ordnung gewesen und nun würde er Ada erklären müssen, dass sie kein Auto mehr hatte. Er spürte ein Stechen im Magen und einen trockenen Schmerz im Hals. Das wird Ärger geben, Simon, dachte er. Und zwar mächtigen Ärger.
Der Tank explodierte nicht. Das Auto brannte langsam aus und ein weißer Pick-up kam aus Richtung Ranch auf sie zu.
»Das ist Frank«, bemerkte Simon erleichtert.
Frank parkte in sicherem Abstand zum brennenden Wrack, stieg aus und kam zu ihnen gelaufen.
»Ich bin g-efahren«, raunte Simon Julia zu.
»Aber . . .«
»Kein Aber.«
Frank langte bei ihnen an und fragte: »Wie ist das denn passiert?«
»Er f-ing plötzlich an zu brennen.«
»Einfach so?«
»Ja, einfach so.«
»Ada hat die Feuerwehr gerufen«, sagte Frank.
»Was?« Simons Herz machte einen Satz. »Aber wieso . . .?«
»Sie hat die Rauchwolke gesehen und sonst was gedacht.«
Die alte Frau und die Feuerwehr trafen zur gleichen Zeit beim brennenden Autowrack ein. Und die Feuerwehr hatte die Polizei im Schlepptau, wie Simon es befürchtet hatte. Die Feuerwehrleute begannen sofort zu löschen. Weißer Schaum spritzte wie Gischt, dichte Qualmwolken stiegen in den Himmel, es zischte und knackte. Wenig später war alles vorbei.
Ada lief wutschnaubend um ihren ausgebrannten Kombi herum und warf mit Flüchen um sich, die sogar die Feuerwehrmänner verlegen wegsehen ließen.
»Das war mein Auto, verdammt«, brüllte sie. »Ich brauche dieses Auto.«
Chief Dan Bennet, der örtliche Hüter des Gesetzes, befragte Simon und Julia, wie das Auto denn nun tatsächlich in Brand geraten wäre.
Vielleicht lag es an der Aufregung, vielleicht auch daran, dass Lügen ihm besonders schwer über die Lippen kamen. Nur mühsam stotterte Simon zusammen, wie sich das Ganze zugetragen hatte. Aber wenigstens hatte er einen Führerschein und auf diese Weise war Julia raus aus der Sache.
Am Ende kam alles schlimmer, als Simon es sich ausgemalt hatte. Er bekam einen Strafzettel über einhundertsiebzig Dollar, weil er am Steuer gesessen hatte. Und Ada bekam einen Strafzettel über achthundert Dollar, weil der Kombi nicht versichert war.
Simon vermochte der alten Frau nicht in die Augen zu sehen. Obwohl er nichts dafür konnte, dass der Kombi in Flammen aufgegangen war (Frank tippte auf eine defekte Benzinleitung), fühlte er sich schuldig. Ada hatte kein Auto mehr und musste achthundert Dollar berappen, wo doch schon seit Wochen das Geld für Lebensmittel knapp war. Die alte Frau war stinksauer auf ihn, so viel stand fest. Die Feuerwehr zog ab und Frank fuhr Ada, Simon und Julia auf die Ranch zurück. Boyd wartete schon mit dem Traktor und dem Hänger, um das Autowrack vom Fahrweg zu holen. Gemeinsam schafften sie den ausgebrannten Ford auf den Schrottplatz beim Camp.
Den Rest des Tages hüllte Ada sich in grimmiges Schweigen.
Am Abend, als sie mit Tommy zu Bett gegangen war, erhob sich der alte Mann ächzend aus seinem Fernsehsessel und steckte Simon einen zerknitterten Umschlag zu. Darin befanden sich einhundertsiebzig Dollar, das Geld für seinen Strafzettel. Ein dicker Kloß saß ihm in der Kehle und er war den Tränen nah wie lange nicht mehr. Als er nach einem Zettel griff, um sich zu bedanken, legte Boyd ihm seine schwere Hand auf die Schulter und schüttelte den Kopf.
Einen Augenblick lang sah es so aus, als wolle der Alte Simon umarmen, aber dann schlurfte Boyd zurück ins Wohnzimmer und hockte sich wieder vor seinen Fernseher.